Es war einmal... Das goldene Ei
- 2 Aug 2023
- Katrin Bamberg - Spinnradmärchen
Ein alter Mann lebte zusammen mit seiner Frau in einem kleinen Häuschen. Mit ihnen lebten eine Henne und ein Kater. Die Henne legte Eier, der Kater fing Mäuse. Henne und Kater mochten sich so gern, dass die Henne sogar auf dem Rücken des Katers schlummern durfte. Alle lebten friedlich beieinander.
Eines Tages gackerte die Henne so laut, dass alle herbeigelaufen kamen und schauten: da lag ein prächtiges Ei und es glänzte goldgelb im Sonnenlicht! Was machen wir damit? Kochen oder braten? Als der Mann schon das Feuer machte im Herd, sprang der Kater auf den Tisch, stupste das Ei an, es rollte vom Tisch und zerbrach.
„So ein Unglück!“, riefen der Mann und die Frau. Nur wegen dem nichtsnutzigen Kater. Der Mann nahm eine Rute und verprügelte den Kater, doch die Henne bettelte: „Tut ihm nichts zuleide! Mein Freund ist nicht böse. Er hat nur ein gewöhnliches Ei zerbrochen. Morgen lege ich dafür ein goldenes Ei!“
Am nächsten Morgen warteten die beiden Alten schon, und als die Henne gackerte, liefen sie gleich zu ihr. Gütiger Himmel! Tatsächlich lag dort das Ei, aus purem, glänzendem Gold. Der Alte nahm es in die Hand, es war schwer. „Ich trage es zum Markt und werde es verkaufen.“ – „Ja, verlange nur ordentlich viel Geld dafür.“, verlangte die Frau. Der Alte brachte wirklich einen ganzen Beutel Münzen mit. Und am nächsten Tag legte die Henne wieder ein goldenes Ei. Das tat sie von nun an jeden Morgen, immer und immer wieder.
Schnell gewöhnten sich die beiden Alten an den Reichtum, das Häuschen war plötzlich nicht mehr gut genug. Sie brauchten ein Schloss und Diener dazu. Nur das beste Essen und die erlesensten Getränke gab es. Sie kleideten sich in Samt und Seide. Sie schliefen in einem Himmelbett. Jeden Tag kamen Gäste und sie lebten in Saus und Braus. Wenn man aber in einem Schloss wohnt, braucht man einen Hund, der das Schloss bewacht. So schafften sie sich ein Rudel Wachhunde an, mit gefährlichen, scharfen Zähnen.
Das gefiel dem Kater ganz und gar nicht! Er fürchtete sich vor den Hunden und zog auf den Dachboden. Dort jagte er Mäuse, doch kam er nicht mehr in die Zimmer oder in den Hof.
Für die Henne kaufte der Mann einen silbernen Käfig. Sie durfte nicht mehr auf der Wiese spazieren gehen und Würmer suchen, sie durfte nicht in der Erde scharren, sie durfte nicht ihren Freund, den Kater treffen.
Sie bekam feinste Körner und frisches Wasser! Aber das Leben im Käfig war schwer.
Auf einmal legte die Henne – ob aus Kummer oder Sehnsucht – wir wissen es nicht – immer kleinere Eier. Und eines Tages schaute das Mütterchen in den Käfig, da lag gar kein Ei mehr: weder ein goldenes noch ein gewöhnliches.
„Du undankbares Tier!“, schrie die Frau. „Den schönsten Käfig hast du und bist zu faul um Eier zu legen! Koch, he, Koch! Komm und schlachte dieses nutzlose Tier.“
Ach, da gackerte die Henne verzweifelt und rief nach ihrem Freund, dem Kater. Der kam herbeigesprungen, landete auf dem Rücken des Kochs und kratzte mit seinen scharfen Krallen. Der Koch ließ die Henne los. Die Henne flog aus dem Fenster in ein nahes Gebüsch. Dort zupfte sie sich ihr Gefieder zurecht.
Der alte Mann und seine Frau rissen die Augen auf: Diener und Koch waren verschwunden, das Schloss war weg, als sei es nie da gewesen. Sie saßen plötzlich wieder in ihrem Häuschen, der Kater sprang auf die Ofenbank und am Boden lag ein zerbrochenes Ei.
- ENDE -
Anmerkung: In diesem Märchen wird alles wieder auf Anfang gesetzt und zeigt uns, dass wir im Leben manchmal zur Anfangssituation zurückkehren müssen, um neue Strategien zu erproben.
Herzliche Grüße
Katrin Bamberg
Öffentliche Erzähltermine:
Sonntag 20.08.2023 15 Uhr Theater der 2 Ufer Kehl Märchen im Zauberwäldchen
Sonntag 27.08.2023 14-18 Uhr Kloster Erlenbad Tag der offenen Tür
Samstag 16.09.2023 ab 14 Uhr Schauenburg Oberkirch Mittelalterspektakel
Freitag 29.09.2023 19 Uhr Sander Geschichten unterm Kirchendach