Es war einmal... das Wiesenglöcken
- 4 Mär 2024
- Katrin Bamberg - Spinnradmärchen
In einem kleinen Dorfe, das zwischen Feldern, Wiesen und Wäldern lag, kam ein Knabe zur Welt. Seine Eltern waren voller Glück, herzten und küssten ihn und betteten ihn in einer Wiege. Sie hängten vom ersten Lebenstag an ein goldenes Glöckchen über die Wiege und wenn die Mutter das Kind in den Schlaf wiegte, kamen die zartesten Töne aus dem Glöckchen. Es klang lieblich und fein, da schlief das Kindlein sanft und zufrieden. Wie der Knabe heranwuchs, war er wohl das glücklichste Kind auf der Erde. Immer trug er das Glöckchen bei sich, lächelte fröhlich und war ein Segen für alle Menschen. Die Leute im Dorf meinten, das läge wohl an dem Glöckchen. Als er älter wurde sammelte er weitere Glöckchen. Er brachte sie von seinen Reisen mit, andere bekam er geschenkt. So kam ein Glöckchen zum anderen und er verwahrte sie in einer Truhe. Das liebste aber war jenes, das über seiner Wiege gehangen hatte. Als er zu einem jungen Mann herangewachsen war, starben ihm Vater und Mutter. In seiner Einsamkeit war er oft sehr traurig und eines Tages sah man ihn mit seiner Truhe hinunter ins Tal laufen. Er trug seinen Schatz in der Truhe zu einer herrlichen Sommerwiese am Bach. Ein Glöckchen nach dem anderen holte er hervor, läutete sie alle sanft und schenkte die schönsten Melodien dem Wind. Manche waren traurig, manche voller Hoffnung. Das hättet ihr hören sollen.
Doch noch mehr hättet ihr gestaunt, was man dann sah: aus jedem Glöckchen schlüpfte eine kleine Elfe hervor und tanzte über die Wiese. Als er das Wiegenglöckchen spielte, erschien eine Elfe von so großer Schönheit, dass ihm das Herz bis zum Halse schlug. Doch kaum war das Glöckchen verstummt, war die Elfe verschwunden. Da läutete er es erneut und sie trat wieder hervor. „Ich werde mir das Glöckchen um den Hals hängen“, überlegte er „dann kann sie für immer bei mir sein und ich kann sie jederzeit erscheinen lassen.“ Geschwind hängte er sich das Glöckchen um und machte sich zufrieden auf den Heimweg. Er vergaß alle anderen Glöckchen und war so glücklich mit seiner Elfe, die er in seinem Hause freiließ, wann immer er wollte. Fortan nannte er sie die Glockenelfe und lebte eine lange Zeit vergnügt und froh, doch von Monat zu Monat wurde die Elfe trauriger und stiller. Als draußen dichte Schneeflocken fielen, war sie fast durchsichtig geworden. Nachdenklich legte er das Glöckchen in eine Ecke und wartete einige Zeit. Doch packte ihn die Ungeduld und eines Tages schüttelte er das Glöckchen mit aller Kraft. Da fiel die Glockenelfe taumelnd zu Boden. „Oh je, was soll ich nur tun? Ist sie krank? Oder sehnt sie sich nach den anderen Elfen?“, überlegte der junge Mann. Schnell lief er hinunter zur Wiese am Bach. Noch lagen Reste vom Schnee und Eis an den schattigen Hängen. Doch da sah er es auch schon: Die vielen Glöckchen, die er auf der Wiese hatte liegen lassen – sie hatten ihren Glanz verloren und waren verrostet. Erschrocken hob er sie auf und bewegte sie, doch keines davon hatte noch seinen hellen Klang. Traurig nahm er das Glöckchen vom Hals und legte es zu den anderen. „Was habe ich nur getan?“, weinte er voller Kummer. Da war es ihm, als wären die Glöckchen alle gestorben und er grub für jedes ein Loch in die Erde, legte sie einzeln liebevoll hinein und deckte sie mit Erde zu. Er weinte so bitterlich und konnte sich nicht trösten. Jede Träne, die zur Erde fiel, benetzte das Erdreich. Vor Erschöpfung sank er zu Boden und verlor die Besinnung und blieb da liegen einige Stunden. Als er wieder zu sich kam, setzte er sich auf und rieb sich verwundert die Augen. Die ganze Wiese war voller Blumen, sie leuchteten hell. Da streckte er seine Hand aus, um sie zu pflücken. Doch berührte ihn jemand ganz sacht und als er sich umdrehte, stand seine Glockenelfe vor ihm und sprach: „Du hast mich erlöst! Du hast mich freigelassen und ehrliche Tränen geweint. Nun kann ich für immer bei dir sein.“ Da umarmten sie sich und alle Blumen auf der Wiese ließen ihre Glöckchen erklingen. Noch am gleichen Tag wurde Hochzeit gehalten und die Braut trug einen Blütenkranz im Haar mit feinen Schneeglöckchen. Wenn man ganz genau hinhörte, konnte man es ganz zart läuten hören.
(Nach einem Märchen aus der Eifel. Erzählfassung: Katrin Bamberg)
Herzliche Grüße
Katrin Bamberg
Öffentliche Erzähltermine:
Freitag, 08.03.2024 20 Uhr, Theater der 2 Ufer - Frauentag
Freitag, 15.03.2024 19 Uhr, Kirche Sand - Wunschpunsch
Dienstag, 16.04.2024 10 Uhr, Kehl - Schmetterlingsausstellung
Freitag, 21.04.2024 15 Uhr, Mösbach - Kirschblütenzauber
Freitag, 26.04.2024 19 Uhr, Kirche Sand - Wunschpunsch
Dienstag, 30.04.2024 20 Uhr, Theater der 2 Ufer - Walpurgisnacht